Soziale Kälte

Am 1. Januar 2005 ist Hartz IV in Kraft getreten. Inzwischen bekommen viele Menschen zu spüren, wie sich dies konkret auf ihre Lebenssituation auswirkt. Viele bekommen weniger oder gar kein Geld mehr, müssen ihre Wohnung wechseln, werden durch zwanghafte Jobvermittlung in andere Regionen aus ihrem sozialen Umfeld gerissen oder werden in sogenannten Ein-Euro-Jobs zur staatlich subventionierten Arbeit gezwungen.

Die Schuld für Arbeitslosigkeit wird trotz der Tatsache, dass über 5 Millionen Jobs fehlen, individualisiert. Das heißt nicht die jetzige Gesellschaft, sondern der/die Einzelne wird für die eigene Erwerbslosigkeit verantwortlich gemacht. Dabei ist klar, dass es jedeN treffen kann. Diejenigen, die sich noch “glückliche” Erwerbstätige nennen dürfen, werden mit der Drohung der sozialen Verelendung erpresst und gefügig gemacht. In den Betrieben (z.B. Siemens, Karstadt, Opel, Daimler etc.) wird die Wochenarbeitszeit wieder auf 40 Stunden angehoben, die Löhne um teilweise über 20 Prozent gekürzt und die Anforderungen an die Beschäftigten erhöht.

Gleichzeitig werden immer mehr reguläre Jobs in Leiharbeits- und prekäre Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt. Das bedeutet für viele Beschäftigte, dass sie sich nicht in den Betrieben organisieren können, zu Hungerlöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen arbeiten und jederzeit um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. In einem Klima der Angst trauen sich viele Menschen nicht, Widerstand gegen die derzeit stattfindenden sozialen Angriffe zu leisten.
Zusätzlich werden vom Staat Zuschüsse für soziale, kulturelle und Bildungseinrichtungen gestrichen. Hohe Kita-Gebühren, Studiengebühren, steigende Schwimmbadpreise, teure BVG-Tickets und hohe Museums-Eintrittspreise hindern vor allem die von Hartz IV und Prekarisierung Betroffenen daran, sich viele schöne Dinge im Leben leisten zu können.


Durch das neue Zuwanderungsgesetz und Hartz IV werden migrantische Menschen und Flüchtlinge noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrückt: Hunderttausende sind allein in diesem Jahr von Abschiebung bedroht oder leben dann hier in sog. Illegalität. Was konkret bedeutet, dass sie, wenn sie Lohnarbeit finden, noch prekärer sind. Die Spirale dreht sich nach unten: die sog. Schwarzjobs werden nun eher an Alg II-BezieherInnen vergeben, so dass migrantische Menschen ohne deutschen Pass leer ausgehen.


Zudem trifft diese gesellschaftlichen Entwicklung derzeit hauptsächlich die Frauen: Armut ist vor allem weiblich, z.B. bei alleinerziehenden Müttern. Und in den letzten Jahren hat sich die Gewalt gegen Frauen vervielfacht, was in einem eindeutigen Zusammenhang zu dem bisher Beschriebenen steht.


Kollektiven Widerstand organisieren

Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele, wie sich die lohnabhängige Bevölkerung gegen die sozialen Angriffe zur Wehr setzt. Letztes Jahr fanden viele Aktionen statt, um ein Bewusstsein für Hartz IV zu schaffen und die Menschen in den Widerstand einzubinden. An den Montagsdemonstrationen nahmen Hunderttausende teil. In mehreren Städten fanden bundesweite Großdemonstrationen gegen Lohndumping und Sozialabbau statt. Am Tag der Einführung von Hartz IV wurden bundesweit in über 83 Städten die Arbeitsagenturen belagert, teils besetzt und der reguläre Betrieb dieser Zwangs- und Zurichtungsanstalten lahmgelegt.

Auch auf betrieblicher Ebene fanden wochenlange Arbeitskämpfe wie z.B. bei Opel statt. Jedoch ist es den DGB-Gewerkschaften dort wieder einmal gelungen, sich an die Spitze der Proteste zu stellen und sie mit faulen “Kompromissen” abzuwürgen. Die InitiatorInnen der Streiks wurden vom DGB ausgegrenzt und teilweise sogar ausgeschlossen. Das zeigt einmal mehr, dass sich sozialer Widerstand nur gegen die DGB-Gewerkschaftsapparate organisieren lässt.


Mit zahlreichen Aktionen wie StudentInnenprotesten, kollektivem Schwarzfahren, kollektiv-kostenlosen Schwimmbad-Besuchen oder Protesten gegen Kita-Gebühren haben viele Menschen in Berlin gegen die Kürzungsorgien des Senats protestiert.


Zur Zeit versuchen Politiker der etablierten Parteien die Bevölkerung auf den Standort einzuschwören. Unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs werden die Menschen von Schröder und Co. aufgefordert, im Interesse Deutschlands auf soziale Kämpfe zu verzichten. Neonazis versuchen mit nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Parolen die Schuld an der sozialen Verelendung den Menschen in die Schuhe zu schieben, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen. In beiden Fällen soll das eigene soziale Interesse zugunsten einer konstruierten nationalen Gemeinschaft in den Hintergrund gestellt werden. Unser Widerstand richtete sich deshalb vor allem auch gegen jede nationalistische und reaktionäre Ideologie.

 

Der Countdown läuft...

Am 1. Mai, dem internationalen Kampftag der ArbeiterInnenklasse, werden wir wie jedes Jahr für unsere sozialen Interessen kämpfen. Wir wollen bereits eine Woche vor dem 1. Mai mit vielfältigen, kreativen Aktionen in die Öffentlichkeit treten um gegen Sozialraub zu protestieren. Dabei sollen auch die Folgen der deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik für die Menschen in den ärmeren Ländern thematisiert werden. Das Ziel der Mai-Steine-Aktionswoche ist es aber auch, eine grundsätzliche Kritik an den kapitalistischen Produktions- und Reprodukionsverhältnissen zu üben. In einer Gesellschaftsordnung, in der die Menschen mit ihrer Arbeitskraft zur Ware degradiert werden und das einzige Ziel die Kapitalakkumulation und Profitmaximierung ist, werden zwangsläufig eine Ungleichverteilung und die soziale Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung produziert. Unser Ziel ist daher eine weltweite soziale Revolution in internationaler Solidarität mit allen Ausgebeuteten.


Ein schönes Leben ist nur jenseits des Kapitalismus möglich!
Wir rufen alle Beschäftigten, Erwerbslosen, SchülerInnen und StudentInnen auf, sich an der Mai-Steine-Aktionswoche und am revolutionären 1. Mai zu beteiligen.